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Kai-Holger Brassel
Autor und Software-Entwickler

Kai-Holger Brassel, 2023
Foto: Florian Semmler

Wer bin ich geworden?

Geboren 1962 in Dortmund, verbrachte ich meine Schulzeit in Bochum. Früh interessierte ich mich für Astronomie, Computer und Science-Fiction. Die Romane von Mark Brandis, John Brunner, Isaac Asimov und Stanislav Lem beflügelten meine Fantasie – die Musik von ELO, Kraftwerk, Yes und Rush trug mich fort. Ich war ein an »Spezialinteressen hängender Mensch«, also das, was man heute einen Nerd nennt. Damals war dieser Sozialcharakter noch weitgehend unbekannt, und so sah ich mich schlicht als Außenseiter. Da ich aber, meinem fast zehn Jahre älteren Bruder nacheifernd, viel Fußball spielte, konnte ich wenigstens in sportlicher Hinsicht etwas punkten. Damals wie heute trete ich gerne gegen einen Ball und schaue, wohin er fliegt.

Im Alter von 17 Jahren hatte ich mein erstes Geld verdient und musste eine schwierige und weitreichende Entscheidung treffen:

Moped   oder  PET 2001 PET?

Auf dem ersten Bild (1969) sitze ich vorn in Montur auf der »Maschine« meines Bruders. Dahinter mein ältester Freund Matthias. Das zweite Bild zeigt einen PET 2001 mit geöffneter »Motorhaube«. Beides ungefähr gleich teuer, versprach das Moped Freiheit und soziale Anerkennung, während man das andere Ding frei(!) programmieren konnte. Das war nicht nur einfach eine »Maschine« – das war eine universelle Maschine. Den Unterschied erahnte ich damals wohl mehr, als dass ich ihn begriff. Möglicherweise klang »Personal Electronic Transactor« in meinen Ohren auch einfach eher nach Zukunft als »Zündapp«. Auf alle Fälle kaufte ich das Computer-Ding. Schließlich flog man in diesen Jahren bereits zum Mond.

Ich lernte also Programmieren und nahm an Wissenschaftswettbewerben teil. Die folgenden Fotos zeigen, wie ich bei einer solchen Gelegenheit den Raumfahrtpionier Hermann Oberth traf, und wie mein Freund Ludger und ich als Sonderpreisträger NRW des Wettbewerbs Jugend forscht 1981 die Internationale Funkausstellung in Berlin unsicher machten.

     Jugend Forscht, IFA 81

Meine Studienzeit am neu gegründeten Informatik-Studiengang in Koblenz war toll. Da gab es viele helle Köpfe, die sich mit mir für Software-Entwicklung, KI, Politik usw. interessierten, davon – heute undenkbar – ein Drittel Frauen. Informatik war damals noch so neu, dass wir Männer noch keine Zeit gehabt hatten, das Feld mit unserem Gehabe zu okkupieren. Das sollte erst später kommen.

Durch Programmierjobs verdiente ich Geld und konnte mir ein verlängertes Studium leisten. Ich engagierte mich sozial und politisch, unter anderem in der Friedensbewegung. Außerdem wollte ich als an »Spezialinteressen hängender Mensch« ein paar Dinge genauer wissen, etwa inwieweit man soziale Vorgänge mit Computern simulieren kann oder was es mit der Theorie sozialer Systeme von Niklas Luhmann auf sich hat. 1992 machte ich mein Informatik-Diplom und entwickelte anschließend wissenschaftliche Software an der Uni Koblenz, der TU Darmstadt, der Uni Rostock, der HfT Stuttgart sowie »normale« Software für verschiedene Unternehmen.

1996 fanden meine Lebensgefährtin und ich auf einer Tagung zusammen, wo auch sonst? Seit 2003 wohnen wir in Hamburg, wo auch unsere beiden Töchter groß geworden sind.

Bei der obigen Tagung, die vier Jahre nach dem berühmten Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 stattfand, ging es übrigens um die Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels und seiner Folgen. Schon damals war dort allen klar, dass dieses Thema nicht mehr von Tagesordnung verschwinden würde. Das Anthropozän hatte längst begonnen. Seitdem versuchen einige, die notwendigen System- und Verhaltensänderungen gegen die Masse der Trägen voranzutreiben, mit – wie wir wissen – bescheidenem Erfolg. Es wird den nachfolgenden Generationen große Opfer abverlangen, mit der von uns so gedankenlos gemachten Welt zurechtzukommen.

Über vierzig Jahre lang habe ich meine Worte – abgesehen von einigen wissenschaftlichen Artikeln, technischen Berichten und vielen E-Mails – nicht an andere Menschen, sondern an Computer gerichtet, auch in der Hoffnung einen kleinen Beitrag zur Bewältigung der obigen Herausforderungen leisten zu können. Wie mein Bruder neulich sinngemäß sagte: Jeder solle dort seinen Beitrag leisten, wo er sich befindet.

Ich denke darüber anders, denn als Tiere können wir uns bewegen. Für mich ist es höchste Zeit, mich zu bewegen und meinem Leben eine weitere Facette hinzuzufügen – die eines Autors.