Habe ich schon erwähnt, dass ich gerne Zusammenhänge herstelle? Eine ganz besondere Art, dies zu tun, ist Musik. Nicht nur lässt sie uns in schneller Abfolge verschiedene Gefühle erleben. Manchmal schafft sie es, Grundgefühle wie Euphorie, Traurigkeit, Gelassenheit zu einer nie zuvor erlebten Mischung zusammenzuführen. Kommen mit Gesang dann noch Inhalte dazu – sei es in Oper oder Rock-Song – dürfen sogar Gefühl und Intellekt harmonieren, die doch im Alltag so oft im Clinch miteinander liegen.
Apropos Harmonie: In diesem Beitrag soll es weniger um die oben angedeuteten »höheren« Zusammenhänge zwischen musikalischen Ausdrucksformen, Emotionen und Verstand gehen, und auch nicht um die Harmonielehre, die auf einer darunter liegenden Realitätsebene beschreibt, wie mehrerer Töne in der Tradition westlicher Musik systematisch zu Akkorden und Akkordfolgen zusammengesetzt werden. Nein, hier soll es darum gehen, wie musikalischer Klang eigentlich aus Schall entsteht. Denn auch auf dieser »tiefen«, physikalischen Ebene der Realität wird etwas zusammengesetzt, was letztlich der Grund dafür ist, dass man Synthesizer Synthesizer nennt.
Für Menschen hörbarer Schall besteht aus zufälligen oder sich wiederholenden Schwingungen der Luft im Frequenzbereich von 16 bis 20.000 Schwingung pro Sekunde. Ist der zufällige Anteil hoch, sprechen wir von akustischem Rauschen oder Geräuschen; ist der periodische Anteil hoch, hören wir Töne.
Die Frequenz eines sich wiederholenden Schwingungsmusters bestimmt die Höhe des Tons, die Größe der Ausschläge dessen Lautstärke. Diese beiden Größen kann man durch zwei Zahlen vollständig beschreiben. Aber wie steht es mit dem für ein Instrument oder eine Stimme typischen Klang? Er wird durch die Form des Schwingungsmusters bestimmt. Wie aber kann man die schier unendliche Menge möglicher Formen von Schwingungsmustern beschreiben?
Unendlichkeiten sind ja eine Domäne der Mathematik, und so verwundert es nicht, dass nicht ein Musiker, sondern der Mathematiker Joseph Fourier 1822 herausfand, wie jeder Klang (genauer: jedes periodische Zeitsignal) durch die Überlagerung einzelner Sinusschwingungen erzeugt, oder sagen wir synthetisiert, werden kann. Am besten versteht man immer etwas, wenn man es selbst macht. Das dachte sich auch der Bastler, der Fourier mit fischertechnik nachgebaut hat, um den Effekt der Überlagerung von Schwingungen in einem Synthesizer zu veranschaulichen.
So gesehen, ist Syntheziser ein äußerst passender Name für ein Instrument ist, das verschiedene elektrische Grundschwingungen erzeugt, und diese dann zusammenführt, filtert, verzerrt und anderweitig moduliert, bevor der auf diese Weise bewusst zusammengesetzte Klang über einen Lautsprecher in die Köpfe der Menschen dringt.
Was Synthesizer-Klänge dort anstellen können, habe ich erlebt, als ich mit zwölf Jahren das erste Mal Autobahn von Kraftwerk im Radio hörte. Die Faszination dieser Instrumente und ihrer Klänge ist ungebrochen, wie Doctor Mix auf seinem Youtube-Kanal lebhaft zu vermitteln weiß: »Just [listen] to the first thirty seconds of this album and your life has basically changed forever«, sagt er ab Minute 5:50 in Kraftwerk's Autobahn: Understanding the Pioneers of Electronic Music. Auch unbedingt sehenswert, mindestens der Anfang von Kraftwerk 'The Man Machine' Full Analysis. Und die Deutsche Welle fragt: Why Kraftwerk are more influential than the Beatles? (Wobei sich diese Aussage allerdings nur auf die Musik und keinesfalls auf die Texte beziehen kann.)
Aber damit bin ich nun doch vom physikalischen Klang weg, auf dessen »höhere« Wirkung zu sprechen gekommen. Es hängt eben alles zusammen – auch die verschiedene Ebenen der Realität: die physikalisch mess- und beschreibbare Realität der Töne und Klänge und die Wirkung, die sie in uns entfalten.
Wie auch immer: Möglichst bald möchte ich in die Welt der Synthesizer und ihrer Klänge eintauchen. Vielleicht gelingt mir ja, bei allem unvermeidbaren Dilettantismus, einige überraschende Querverbindungen zwischen Tonerzeugung, Programmierung und den Wissenschaften zu finden.